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Dienstag
Okt022007

Gehirnentwicklung in der Pubertät

Wegen Umbaus vorübergehend geschlossen - Gehirnentwicklung in der Pubertät

Anders als bisher angenommen strukturieren sich die Gehirne von Jugendlichen in der Pubertät weiter und zum Teil dramatisch um. Langzeituntersuchungen zeigen, dass diese Entwicklung bis zum 25. Lebensjahr und möglicherweise noch darüber hinaus erfolgt.

Am National Institutes of Health Clinical Center in Bethesda, Maryland konnten in einer 13 Jahre dauernden Langzeitbeobachtung von Kindern / Jugendlichen wichtige Erkenntnisse gesammelt werden.

Die Umstrukturierung des Gehirns kann möglicherweise erklären, weshalb psychische Krankheiten wie z.B. Schizophrenie gerade in dieser Zeit auftreten. Studien haben gezeigt, dass der durchschnittliche Teenager ca. 15% seiner grauen Gehirnmasse verliert, während diejenigen, die eine Schizophrenie entwickeln, ca. 25% verlieren. Auch die hohe Rate jugendlicher Selbstmorde kann hiermit in Zusammenhang stehen.

Es gibt zwei wesentliche Stadien der Gehirnbildung. Das erste Stadium findet pränatal statt. Das zweite Stadium wird in der Pubertät angesiedelt. In diesem Stadium bilden sich die höheren geistigen Funktionen heraus.

In den ersten Schwangerschaftsmonaten wachsen die Gehirnzellen. Ab dem sechsten Schwangerschaftsmonat beginnen die Zellen sich zu strukturieren und miteinander zu vernetzen. Nicht genutzte Zellen sterben ab, d.h. die Anzahl der Nervenzellen reduziert sich bei zunehmender Vernetzung. Im Verlaufe der Kindheit verdichten sich die grauen Zellen.

Ab dem 10. / 12. Lebensjahr verdünnen sich die grauen Zellen mit einer Rate von 0.7% pro Jahr, dieser Prozess endet ca. mit dem 20. Lebensjahr. Gleichzeitig verdichten sich die weißen Zellen. Die Nervenfasern werden von Jahr zu Jahr dicker. Man vermutet, dass das bis zum 40. Lebensjahr andauern kann. Damit erhält das Gehirn weniger, aber schnellere Verbindungen. Der Preis, der möglicherweise zu zahlen ist, ist die Einschränkung des Lernpotenzials und die Überwindung von Traumata.

Die Ausprägung des Gehirns wird sowohl auf genetische Faktoren als auch auf die Art der Nutzung zurück geführt.

Das Gehirn entwickelt sich in Stadien von hinten nach vorne. Der letzte Teil des Gehirns, der sich ausbildet, ist der präfrontale Kortex. Es ist der Bereich, der für höherrangige geistige Operationen zuständig ist wie: Planung, gedankliche Kontrolle, Unterdrückung von Impulsen, Abwägen von Konsequenzen, Motivation, Wertehaltungen und Entscheidungsbildung.

Durch hormonelle Einflüsse wird das Gehirn mit neurochemischen Stoffen überflutet. Sie nehmen unmittelbaren Einfluss auf Stimmungen und Erregungspotenzial. Sexualhormone sind im Limbischen System hochgradig aktiv und schaffen ein Pulverfass der Gefühle.

Adoleszente suchen aktiv nach Erfahrungen, die intensive Gefühle auslösen. Sie suchen nach Aufregung und starken Gefühlseindrücken. Dieses Suchverhalten dient dazu, die Umwelt neu zu erproben und den Schritt in ein eigenes Leben zu tun. Da unsere Umwelt allerdings viele Herausforderungen bereit hält, sind Teenager Risiken ausgesetzt.

Die Risiken sind umso größer, da der Teil des Gehirns, der für reife Entscheidungen zuständig ist, sich erst im Laufe der Adoleszenz entwickelt.

In Gruppen Gleichaltriger tendieren Jugendliche dazu, höhere Risiken zu suchen als alleine. In emotional stimulierenden Situationen werden größere Herausforderungen gesucht.

Das Handeln und Urteilen von Jugendlichen wird von der Amygdala bestimmt, einer Gehirnregion, die für emotionale Reaktionen zuständig ist. Erwachsene verlassen sich beim Handeln weniger auf die Amygdala, sondern auf den Frontallappen, der Planen und Urteilen möglich macht.

In einer Reihe von Experimenten fand Deborah Yurgelun-Todd vom McLean Hospital in Belmont, Mass., heraus, dass Jugendliche Emotionen nur schwer oder falsch deuten. Sie sehen Ärger und Ablehnung da, wo keine ist. Das rückt Reaktionen wie „Mein Lehrer kann mich nicht leiden.“ in ein neues Licht.

Jugendliche sind häufig lustlos und unmotiviert. Dies wird dem noch unreifen Nucleus accumbens zugeschrieben, einer Region im frontalen Kortex, die die Motivation nach Belohnungen zu suchen, leitet. Teenager haben in dieser Region weniger Aktivitäten als Erwachsene.

Wenn Teenager motivationale Defizite haben, bedeutet das, dass sie entweder zu Verhaltensweisen neigen,  höchstgradig stimulierenden Charakter haben oder aber kaum aktivierbar sind – oder auch beides. Wollen Eltern also etwas erreichen, sollten sie mit kurzfristigen Konsequenzen arbeiten und nicht mit möglichen späteren Folgen des Verhaltens drohen.

Quelle: TIME, June 7, 2004


Konsequenzen für Kooperatives Lernen

Wenn sie der präfrontale Kortex ausbildet, braucht der Jugendliche eine Umwelt, die es ihm ermöglicht, seine höherrangigen geistigen Operationen zu entwickeln. Je reicher die Anregungen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer differenzierten Vernetzung von Gehirnzellen.Schülerinnen und Schüler brauchen jetzt herausfordernde Aufgaben, die zu Problemlösung und Diskussion und Bewertung anregen. Auch Formen sozialen Miteinenders werden jetzt erweitert und vertieft.
   Die emotionale Erregbarkeit der Jugendlichen hat unmittelbaren Einfluss auf ihr Lernen. Es kann sich positiv und negativ auswirken. Aufgabe von Lehrerinnen und Lehrern ist es jetzt, Formen zu finden, die den Bedürfnissen der Jugendlichen entgegenkommen. Die Aufgaben müssen herausfordern und können damit zum Teil nicht mehr die herkömmlichen Lehrverfahren wie Lesen oder Zuhören nutzen. Sie müssen der Realität des Jugendlichen angepasst werden. Lehrerinnen und Lehrern, denen es gelingt, ihre Schülerinnen und Schüler emotional anzusprechen, erlangen ihre Aufmerksamkeit und ihre Bereitschaft zur Mitarbeit. Aufgaben, die der Erprobung der Umwelt dienen und Jugendliche daraus Fragestellungen und Problemlösungen entwickeln lassen, motivieren Schülerinnen und Schüler auch über den Unterricht hinaus, sich mit ihrer Umwelt aktiv suchend und lernend zu beschäftigen.
   Jugendliche fühlen sich unter ihresgleichen sicherer, da sie meinen, deren Reaktionen besser deuten zu können. Andererseits bringt ihre Beeinträchtigung beim angemessenen Deuten emotionaler Reaktionen auch soziales Konfliktpotenzial. Beides können Lehrerinnen und Lehrer durch kooperative Lernformen berücksichtigen. Duch Zusammenarbeit können sich die Jugendlichen in einem emotional relativ sicheren Raum bewegen. Andererseits lernen sie auch, mit aufkommenden Konflikten umzugehen und diese zu lösen. Da sie dies verstärkt mit ihren Peers lernen, sind weniger Widerstände zu erwarten. Das Verhältnis zwischen Lehrerinnen und Lehrern verbessert sich durch diese Herausnahme des Lehrers zum Teil wesentlich.

   Viele konkrete Hinweise zur Gestaltung von Unterricht finden sich in dem Kapitel "Planung und Durchführung von Unterricht"


 

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